
Airbag-Rucksack für den Fall der Fälle
Vorteile
- Gute Passform
- Einfaches Handling
- Kleines Rucksackfach
- Helmnetz
- Erklärvideos zum Einrichten
- Guter Schutz des Kopf- und Nackenbereichs bei Stürzen
Nachteile
- App enthält nur wenige Informationen
- Gedruckte Bedienungsanleitung nur bedingt hilfreich
- Einschränkung der Nutzungsbedingungen
Bewertung
'Einen Airbag testen? Ist das nicht die Aufgabe eines Crashtest-Dummys, welcher mit Sensoren ausgestattet mit Vollgas gegen eine Wand fährt?' Dies waren meine ersten Gedanken als von Outside-Stories die Frage aufkam, ob ich für die kommenden sechs Wochen den Fahrrad-Airbag-Rucksack "Airtour" der Firma Minerva-AS aus dem bayerischen Erding testen möchte. Es handelt sich hierbei um einen kleinen Rucksack, welcher beim Radfahren getragen wird. Im Falle eines Sturzes werden diese "untypischen" Bewegungen von Sensoren erkannt und blitzschnell ein schützendes Luftkissen (Airbag) um Nacken und Schultern gelegt. Somit sollen insbesondere Nacken-, Schulter- und Oberkörperverletzungen minimiert oder im besten Fall sogar gänzlich verhindert werden.
Wichtig ist, dass der Airbag-Rucksack Airtour nicht das Tragen eines Sturzhelmes ersetzen, sondern ergänzend schützen soll. Einen Airbagrucksack, welcher sich über den Kopf ausbreitet und somit für "Nicht-Helm-Träger" bestens eignet, ist unter der Bezeichnung "Aircruise" erhältlich. Nun aber zurück zu dem von mir getesteten Model Airtour.

Technologie hinter den Airbag-Rucksäcken: Das Hauptelement des Airbag-Rucksacks ist die Sensorik. Diese entscheidet darüber, ob es sich um eine normale Fahrsituation handelt, oder gerade ein Sturz beginnt. Minerva-As hat hier bereits Erfahrungen mit Lawinen-Airbags und auch Arbeitsschutz-Airbags gesammelt und diese Erfahrung noch auf die Anwendung von Radfahrern erweitert.
Die Sensoren überwachen mit einer Frequenz von 300 Hertz (also 300-mal pro Sekunde) die Bewegungen, Neigungen und Beschleunigungen. Diese Sensorik und Prozessoren benötigen natürlich Strom, daher ist im Rückenteil ein kleiner Akku verbaut, welcher über USB-C geladen wird und eine Laufzeit von ca. 30 Stunden ermöglicht.
Nun hätten wir also die Sensorik, Recheneinheit und Spannungsversorgung geklärt, fehlt noch die Aktuatorik. Hierfür ist ebenfalls im Rückenbereich eine kleine Gaskartusche verbaut, welche dann im Falle der Auslöse-Entscheidung innerhalb kürzester Zeit (<150 Millisekunden) den Airbag mit CO2-Gas füllt. Die Kartusche muss nach einer Auslösung ausgetauscht werden, das kann allerdings durch den Nutzer selbst durchgeführt werden. "Scharf geschalten" wird das System durch das Schließen der Brustriemen-Schnalle, welche dann auch durch eine grüne LED das System auf Funktionstüchtigkeit darstellt.
Vorbereitung: Das Paket von Minerva-As enthielt folgende Elemente:
- Rucksack Airtour
- CO2-Gaskartusche
- USB-C-Ladekabel
- Gedruckte Anleitung
Obwohl ich einer Bedienungsanleitung üblicherweise keine besondere Aufmerksamkeit schenke, habe ich mir diese bei dem Airbag-Rucksack doch als erstes genauer angeschaut. Ich will ja nicht, dass mir das Ding um die Ohren fliegt, nur weil ich irgendeine wichtige Information nicht beachtet habe.
Mit der gedruckten Anleitung habe ich mich allerdings schwergetan. Insbesondere die Bilder in der Anleitung waren einfach zu klein oder zu wenig kontrastreich. Als Beispiel sei hier die Einstellung der Riemen genannt. In der Bebilderung hat die Person ein gestreiftes Oberteil an. Da fällt es dann schwer, zwischen den Streifen des Oberteils und den Rucksack-Riemen zu unterscheiden.

Noch relevanter ist es allerdings beim Einsetzen der Gaskartusche. Hier war die Beschreibung und die zugehörigen Bilder nicht sonderlich hilfreich. Positiv erwähnen muss ich allerdings, dass alle wichtigen Schritte auch als Youtube-Videos zur Verfügung stehen. Damit konnte ich mich dann sehr gut durchhangeln und habe gemerkt, dass die Vorbereitung gar nicht so schwer ist.

Im ersten Schritt musste der Akku geladen werden. Einfach per USB-C angeschlossen und nach ca. 2 Stunden war dieser dann auch geladen.
In der Zwischenzeit habe ich mir schonmal die App auf mein Android-Smartphone geladen. Im ersten Moment war ich ein wenig enttäuscht über den Funktionsumfang der App, zeigt diese doch nur die Modellbezeichnung, Seriennummer und Software-Version sowie den Ladezustand des Akkus an. Bei genauerer Betrachtung habe ich dann darüber nachgedacht, welche Information mir denn in der App fehlt... und da ist mir nichts Brauchbares eingefallen. Vielleicht noch die maximal gemessenen Beschleunigungen der einzelnen Sensoren, aber das wäre ja nur Spielerei. Eigentlich braucht der Nutzer die App nicht zwingend, um den Airbag-Rucksack verwenden zu können.


Nun ging es an das Einsetzen der Gaskartusche. Diese ist ca. 17 Zentimeter lang und wiegt rund 400 Gramm bei einem Durchmesser von 13 Zentimetern. Auch hier war das Youtube-Video Gold wert. Im Rucksack-Fach einfach den gut sichtbaren, roten Verriegelungsstift öffnen, die Kartusche einsetzen, den Verriegelungsstift wieder einsetzen und die Klettverschluss-Ummantelung schließen.



Ab nun ist das System also auslösefähig, daher muss man ab diesem Zeitpunkt etwas vorsichtiger sein, was man macht. Hiermit ist insbesondere das "Scharfschalten" des Airbags gemeint. Die erfolgt durch Schließen des Brustriemens.


Um ein versehentliches Aktivieren zu verhindern, gibt es definierte "Parkpositionen" des linken und rechten Teils des Brustriemens. Diese werden einfach unter eine Lasche gefädelt und können sich damit nicht versehentlich verbinden.

Erste Ausfahrt: Beim ersten Aktivieren des Systems hatte ich schon ein bisschen kribbeln... habe ich alles richtig eingestellt oder haut es mir gleich den Airbag um die Ohren? Insbesondere der Hinweis in der Anleitung, dass man den Aktivierungs-Riemen unbedingt erst nach dem Aufsteigen auf das Rad schließen soll und unbedingt vor dem Absteigen wieder öffnen soll, erfordert Aufmerksamkeit.
Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich z.B. mal vergesse, das System zu deaktivieren und mich vornüberbeuge, um die Schuhe zuzumachen und die Sensorik dies als Sturz erkennt und den Airbag auslöst. Die ersten Meter auf dem Rad waren also wie auf rohen Eiern. Wie reagiert das System bei Schlaglöchern, Unebenheiten oder stärkeren Bewegungen im Oberkörper wie zum Beispiel im Wiegetritt?
Nachdem die ersten Schlaglöcher ohne Knall vorübergegangen waren, das erste Anhalten an Ampeln ebenfalls ohne Knall über die Bühne ging, habe ich dann auch mal versucht, ob auch stärkere Oberkörperbewegungen ohne Auslösung bleiben. Gleich mal vorweg: Im normalen Betrieb hat der Airbag bei mir nicht ausgelöst. In der Anleitung war explizit auch erwähnt, dass das System nicht für Mountainbike-Fahrten in ruppigem Gelände gedacht ist, auch Bordsteinkanten sollten mit Vorsicht befahren werden. Damit fährt schon immer ein mulmiges Gefühl mit.
Tragekomfort: Der Airbag-Rucksack liegt gut am oberen Rücken an. Ich hatte bei meinen Testfahrten nur sehr wenig Gepäck dabei. Eine kleine Pumpe, eine Windjacke, Geldbeutel. Sehr viel mehr nimmt der Rucksack auch gar nicht auf. Im Prinzip ist das Volumen für ungefähr die Menge ausgelegt, die man sonst in den Trikot-Taschen unterbringen könnte. Dadurch, dass der Rucksack eher im oberen Bereich des Rückens sitzt, sind die Rückentaschen sogar noch erreichbar.

Der Rucksack hat ein Hauptfach, in dem sich mittig auf der Wirbelsäule auch die Gaskartusche befindet. Dieses Hauptfach wird über einen denkrecht angeordneten Reißverschluss zugänglich. Als Reißverschluss-Abdeckung ist ein reflektierender Streifen vernäht.

Im unteren Bereich ist ein kleines Reißverschlussfach (waagrecht angeordnet), welches z.B. für Geldbeutel oder Smartphone genutzt werden kann. Über diesem unteren Bereich ist auch das Helmnetz angebracht, welches an vier Riemen in den Ecken gespannt wird.

Die Schultergurte des Rucksacks sind, verglichen mit dem kleinen Volumen des Rucksacks, äußerst voluminös. Dies liegt daran, dass in den Schulterträgern auch der Airbag enthalten ist. Die voluminösen Schultergurte liegen zwar dicht am Hals, sind aber weich und stören daher nicht sonderlich.


Im Brustbereich gibt es zwei Riemen: Den Aktivierungsriemen oberhalb der Brust (kann verschoben werden) und den Riemen, der die Schultergurte mit dem Rucksack am unteren Ende verbinden. Diese kann man in der Weite einstellen und diese verlaufen ca. auf Höhe des unteren Rippenbogens.

In Summe wiegt der leere Rucksack (allerdings mit CO2-Kartusche) rund 1500 Gramm.
Funktionalität des Airbags: Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe mich weder mutwillig über Motorhauben geworfen, noch anderweitig ins Gestrüpp gelegt. Ich habe den Airbag also ausschließlich im normalen Betrieb getestet. Während dieser Anwendung gab es keine Fehlauslösungen. Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass ich es vermutlich nicht wagen würde, damit über Stock und Stein zu fahren.
In diesem Anwendungsfall müsste man sicherlich mit einer Auslösung des Airbags rechnen. Der Komfort des Rucksacks ist sehr angenehm und stört nicht sonderlich. Der Sicherheitsgewinn im Falle eines Sturzes ist sicherlich gegeben. Es gibt auch das ein oder andere Video auf Youtube, bei dem ein ausgebildeter Stuntman einen Sturz provoziert hat. Dabei ist zum Beispiel ein Sturz über den Lenker gezeigt, bei dem deutlich erkennbar ist, dass der Airbag weit vor dem ersten Bodenkontakt auslöst und Nacken, Schultern und Oberkörper gut schützt.
Fazit: So ein Airbag ist auf jeden Fall ein Sicherheitsgewinn. Die Aktivierung und Deaktivierung muss man sich angewöhnen, damit man diesen nicht versehentlich auslöst. Die App enthält nur wenige, unwesentliche Informationen und liefert aus meiner Sicht keinen Mehrwert. Da der Airbag-Rucksack sich komfortabel trägt, findet dieser sicherlich deutlich öfters Verwendung als wenn diese nicht gut passen würde.